Immer wieder lese ich Kommentare und Artikel, in denen Teilzeitmitarbeitende als faul zuletzt sogar asozial abgestempelt werden. Dabei wird oft unterschieden: Teilzeit sei okay, wenn Betreuungspflichten dahinterstehen (laut Statistik Austria betraf das im Jahr 2023 rund 32 % der Teilzeitarbeitenden), aber nicht wenn man es freiwillig auf Kosten der Allgemeinheit macht. Die Teilzeitfalle auf der einen Seite, Arbeitskräftemangel auf der anderen Seite. Wie finden wir also besser zueinander?
Wieso wird eigentlich Teilzeit gearbeitet?
Die Statistik gibt darauf keine klare Antwort, grob gesagt wünschen sich rund 25 Prozent keine Teilzeitarbeit, knapp 8 Prozent geben andere persönliche Gründe an, knapp 13 Prozent arbeiten Teilzeit aufgrund ihrer Ausbildung, immerhin knapp 7 Prozent bekommen keine Vollzeit Anstellung und die restlichen 15 Prozent machten keine Angabe.
Bis wir eine Statistik haben, aus der wir mehr herauslesen können, teile ich deshalb einige Beispiele aus meinem Umfeld:
- Kerstin arbeitet Teilzeit, um sich nebenbei eine Selbstständigkeit aufzubauen. Sie hat bereits einige Kund:innen, aber für eine komplette Selbstständigkeit reicht es noch nicht. Begonnen hat sie das alles neben ihrem Vollzeitjob und hat in der Zwischenzeit Stunden reduzieren können.
- Petra erholt sich nach einer langwierigen Erkrankung und fühlt sich noch nicht fit genug für eine Vollzeitstelle.
- Andras studiert und arbeitet gleichzeitig 25 Stunden pro Woche.
- Vio kann aufgrund ihrer Behinderung nur in bestimmten Jobs und Settings arbeiten. Sie hat chronische Schmerzen und muss teilweise liegend arbeiten. Dadurch ist es für sie wichtig im Homeoffice zu arbeiten.
- Silvia würde gerne mehr arbeiten, aber in ihrer Filiale gibt es nur Teilzeitstellen – außer für die Filialleitung. Sie deckt in der Saison Spitzen ab und baut diese Guthaben in der Nebensaison ab.
- Edith ist in Altersteilzeit, weil sie mit dem Tempo der Berufswelt in Vollzeit nicht mehr mithalten kann.
- Didi ist Spezialist in seinem Gebiet und hat sich bewusst für Teilzeit entschieden. Netto verliert er dadurch nicht viel und verdient noch immer mehr als den Durchschnittsverdienst
Teilzeit muss man sich leisten können
Wer in Teilzeit arbeitet, muss sich das leisten können. Entweder, indem in Kombination mit anderen Einkommensquellen genug verdient wird, oder man finanziell vom Partner abhängig ist – eine Abhängigkeit, die Risiken birgt. In Österreich besteht ein sehr hoher Gender-Pension-Gap: Männer erhalten im Durchschnitt eine Alterspension, die um 40,55 % höher ist als die Alterspension von Frauen. Laut Statistik gilt in Österreich jede 5. Frau ab 65 Jahren als armutsgefährdet. Eine Scheidungsrate von 36,1 Prozent (2023, Statistik Austria) trägt dazu bei, dass man später bei langer Teilzeitbeschäftigung in der Armutsfalle landen kann. Hinzu kommt, dass viele Akademikerinnen davon ausgehen, dass nur Frauen mit schlecht bezahlten Jobs in der Teilzeitfalle landen, das stimmt allerdings nicht.
Warum lohnt es sich das zu evaluieren?
Statt über die „Faulheit“ von Teilzeitarbeitenden zu diskutieren, sollten wir überlegen, welche Veränderungen notwendig sind, um mehr Menschen zu ermöglichen, in größerem Umfang oder Vollzeit zu arbeiten. Denn angesichts des demografischen Wandels werden wir in den kommenden Jahren einen steigenden Druck auf dem Arbeitsmarkt spüren. Aus Unternehmenssicht lohnt es sich jetzt eine demografische Analyse zu machen und den Bedarf für die nächsten Jahre festzustellen und Maßnahmen einzuleiten.
Welche Veränderungen sind notwendig?
- Bessere Kinderbetreuung In Österreich arbeiten fast dreimal so viele Menschen wegen Betreuungspflichten in Teilzeit als im EU-Durchschnitt. Ein Ausbau der Kinderbetreuung wäre daher nicht nur gesellschaftlich, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll. Mit Wegzeit einberechnet müssten die Kindergärten mindestens 8 Stunden offen haben, um Vollzeit zu arbeiten. In Wien haben 98,83%, in Burgenland 74,73% und in Kärnten 74,73% der Kindergärten so lange offen. In den restlichen Bundesländern liegt der Wert zwischen 48.93% (Vorarlberg) und Niederösterreich (69,45%). Hier liegt also viel Potenzial und viele Betriebe bieten bereits Betriebskindergärten oder Unterstützung bei der Ferienbetreuung an.
- Echte Flexibilität Kann ich mein Kind abholen und später weiterarbeiten? Ist eine 25-Stunden-Woche zwangsläufig auf fünf Tage verteilt oder sind flexiblere Modelle wie eine Vier-Tage-Woche möglich? Auch mehr Homeoffice könnte helfen, die tägliche Wegzeit zu reduzieren und so mehr Arbeitsstunden zu ermöglichen. Fragen Sie sich, was Sie in ihrem Betrieb wirklich anbieten können und wollen. Wenn Sie eine Rezeptionistin suchen, die immer zu einer gewissen Uhrzeit da sein muss, ist es klar, dass Sie keine Gleitzeit anbieten, andere Jobs könnten aber durchaus flexibler gestaltet werden.
- Job- und Top-Sharing: Teilzeit in verantwortungsvollen Jobs sind noch immer Mangelware, man verzichtet dadurch aber oft auf gut ausgebildete Mitarbeitende.
- Potenzial besser nutzen Selbstständige, Menschen mit Behinderung und ältere Arbeitnehmer:innen könnten stärker in den unselbständigen Arbeitsmarkt eingebunden werden. Oft scheitert es an mangelnder Unterstützung oder starren Strukturen und Denkweisen. Organisationen wie My Ability bieten mit ihrem myAbility Talent® Programm die Möglichkeit ohne viel Aufwand die Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderung auszuprobieren und Berührungsängste abzubauen.
- Arbeitszeiten überarbeiten Viele Kollektivverträge bieten wenig Flexibilität. Unternehmen sollten mehr legale Möglichkeiten erhalten, um flexiblere Arbeitszeiten zu gestalten. Überlegen Sie sich, was für Sie sinnvoll wäre, welche Optionen eben noch nicht abgebildet werden und wenden Sie sich an die Wirtschaftskammer. Je mehr Bedarf signalisiert wird, desto eher schaffen es die Punkte auch in Kollektivvertragsverhandlungen.
- Gesundes Arbeiten bis zur Pension ermöglichen Wer bis zur Pension produktiv bleiben soll, braucht ein gesundes Arbeitsumfeld – physisch und psychisch. Unternehmenskultur, Burnout-Prävention, Konfliktmanagement und ergonomische Arbeitsplätze spielen hier eine große Rolle.
- KI ist wohl gekommen, um zu bleiben. Setzen Sie sich mit den Chancen und Risiken auseinander und damit welche Dinge die KI gut übernehmen kann und welche Aufgaben sinnvoller von Mitarbeitenden übernommen werden. Auch das birgt Raum für Flexibilität.
Mein Fazit: Mehr Verständnis statt Vorurteile
Teilzeit ist nicht gleich Teilzeit. Menschen haben unterschiedliche Gründe, weniger zu arbeiten, und oft sind es keine freien Entscheidungen, sondern systemische Rahmenbedingungen. Deshalb brauchen wir mehr beidseitiges Verständnis– von Politik, Unternehmen und Arbeitnehmenden – und konstruktive Veränderungen von allen Seiten. Zusätzlich wäre es wichtig weitere Informationen zu den Gründen für Teilzeit zu sammeln um passgenauere Lösungen zu finden.
Was denkt ihr? Welche Lösungen seht ihr? Schreibt mir gerne eure Meinung dazu!
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